Der Sachsenkrieg

im Jahr 772


Karl der Große (748 - 814) war seit 768 König des Fränkischen Reiches. Am 25. Dezember 800 wurde Karl der Große zum Kaiser gekrönt.
Der westfälische Adlige Widukind (730 - 807, auch: Wittekind) führte ab 777 bis 805 den Widerstand der Sachsen gegen den König des Fränkischen Reiches Karl der Große an.
Das Heiligtum der heidnischen Germanen, die Irminsäule (auch: Irminsul), war ein großer, heiliger Baumstamm, der die Verbindung des Himmels mit der Erde symbolisierte.

Sächsisches Realienbuch von 1920, Seite 19

      Die Sachsen. An der Grenze des Frankenlandes, zwischen Rhein und Elbe,
lebten die heidnischen Sachsen, die die Franken durch häufige Einfälle beunruhigten.
      Ihren Namen haben die Sachsen von "Sachs", einem kurzen, breiten Messer, das sie
an einem Gurt um die Hüfte trugen. Woher sie gekommen, weiß man nicht. Erst, nachdem
der Name Cherusker verschwunden ist, hört man von ihnen. Wahrscheinlich nahmen um diese
Zeit alle germanischen Völker, die zwischen Rhein und Elbe wohnten, den Namen "Sachsen"
an. Sie zerfielen in Westfalen, Ostfalen und Engern. Die Engern wohnten zu beiden
Seiten der Weser, westlich von ihnen die Westfalen, östlich die Ostfalen. Dazu kamen noch
die Nordalbinger in Holstein. "Die Sachsen haben nie Könige gehabt, sondern sie lebten wie
wie die alten Germanen unter ihren Grafen und Edelingen. Nur im Krieg vereinten sie sich
unter freigewählten Herzögen."
      Die Grenze zwischen den Sachsen und den Franken zog sich meist in der Ebene
hin und war nicht genau festgesetzt. Da wollten denn Raub, Mord und Brand auf
beiden Seiten kein Ende nehmen. Karl beschloss daher, die Sachsen zu unterwerfen
und zum Christentum zu zwingen. Von beiden Seiten wurde der Krieg mit großer
Erbitterung geführt. Die Sachsen stritten für ihren Wodan und ihre Freiheit, die
Franken für das Kreuz und ihre Weltherrschaft.
      Krieg mit den Sachsen. Mit einem wohlausgerüsteten Heere zog Karl 772
ins Sachsenland und verwüstete alles mit Feuer und Schwert. Auch zerstörte er die
Feste Cresburg (bei Niedermarsberg) mit der Irminsäule. Diese Säule war
ein riesenhafter Baum, der nach dem Glauben der Sachsen das Weltall trug und
daher göttlich von ihnen verehrt wurde. Dann drang er bis an die Weser vor und
machte hier Frieden mit den Sachsen. Unter Anführung Widukinds, eines Edelings
der Westfalen, empörten sich die Sachsen zu wiederholten Male gegen Karl, der
sie mit Gewalt zur Taufe sowie zur Entrichtung des "Zehnten" von ihrem jähr-
lichen Einkommen an die Geistlichkeit zwingen wollte. Sie zerstörten die neuer-
bauten christlichen Kirchen und erschlugen oder vertrieben die von Karl eingesetzten
Priester. Einmal (782) vernichteten sie Karls Heer am Süntel fast vollständig. Da
war dessen Geduld zu Ende. Bei Verden an der aller hielt er Gericht über die Schul-
digen und ließ 4.500 hinrichten. Widukind war entflohen, kehrte aber bald zurück, um
die Sachsen zur Rache für diese Bluttat zu entflammen. Sein Heer wurde jedoch
an der Hase so vollständig geschlagen, dass er den ferneren Kampf für den alten
Glauben und die alte Freiheit aufgab. Er ging zu Karl, der ihn sehr freundlich auf-
nahm, und empfing mit vielen sächsischen Edlen die heilige Taufe. Noch mehrmals
versuchten die Sachsen, das Joch der Franken abzuschütteln, aber ihr Widerstand
erlahmte ohne Widukind nach und nach, bis sie endlich nach 31 Jahren sich vollständig
unterwarfen.

aus: "Sächsisches Realienbuch", 1920, Seite 19

Hungers Lesebuch 5. und 6. Schuljahr, Seite 301
Hungers Lesebuch 5. und 6. Schuljahr, Seite 302
Hungers Lesebuch 5. und 6. Schuljahr, Seite 303
Hungers Lesebuch 5. und 6. Schuljahr, Seite 304

Der Sachsenkrieg.
Im Jahr 772.
      Der Mönch Folkard kehrte vom Kloster Fulda zurück nach seiner
Klause, die er sich mitten im Sachsenland gebaut hatte. Auf dem Rücken
schleppte er ein schweres Bündel mit Büchern. Aber auch allerlei
Sämereien hatte er aus dem Kloster mitgebracht für die Gärten und
Felder der Sachsen und ein Büschel Edelreiser aus dem Kloster-
garten, alle sauber in ein Tuch mit feuchtem Moos eingeschlagen.
So schritt er wochenlang durch endlose Wälder, bis der Wald sich
lichtete und ein sächsischer Bauernhof vor ihm lag. Zwischen den
Eichenbäumen schaute das gelbe Strohdach mit dem Storchennest
hervor. Der Mönch ging auf den Hof zu, wo etliche junge Holz-
apfelbäume zwischen den Eichen wuchsen. Er schnitt mit dem Messer
den Bäumchen die Krone ab, spaltete das dünne Stämmchen, steckte
das Edelreis in den Spalt und verband die mit Wachs bestrichene
Wunde. Während er so am Boden kniete, kam das Töchterchen des
Bauern, sah ihm bei der Arbeit zu und aß von den gelben Äpfeln,
die er mitgebracht hatte. "Die schmecken besser als unsere Holzäpfel",
sagte sie. Als Folkard fertig war, fragte er das Mädchen: "Soll ich
dir nun wieder von Jesus erzählen?" Das Kind wurde rot und
schüttelte den Kopf. "Der Vater hat´s verboten", sagte es, "seit der
fremde Mann da war, der wieder mit dem Vater redet."
      Der Mönch trat in den Hof. Am Tor war ein fremdes Pferd
angebunden. Ein beladenes Fuhrwerk stand vor der Haustür. Der
ganze Hausrat lag auf dem Wagen. Stall und Scheune waren aus-
geräumt, und eben trieb der Hirt die Herde zum Hoftor hinaus.
Verwundert sah der Mönch das alles. Dann öffnete er sein Bündel
und sprach zum Bauern, der eben mit einem Mann unter der Haus-
tür stand: "Hier habe ich dir allerlei Samen mitgebracht aus Fulda
für deine Gärten und Felder. - Doch was bedeutet das alles?"
Der Bauer antwortete: "Es gibt Krieg. Wir ziehen auf die Gres-
burg. Wir brauchen deinen Samen nicht mehr. Erzähle auch meinem
Kind nicht mehr von Jesus. Wir beten zu Wodan und Donar, und
auch mein Kind soll zu ihnen beten!" Erstaunt fragte der Mönch:
"Warum Krieg? Schon ein paar Wochen reise ich durch die Wälder
und weiß darum nicht, was in der Welt vorgeht." Da stieß der
Fremde, der neben dem Bauern stand, seinen roten Schild, auf dem
ein weißes Ross gemalt war, heftig zur Erde und rief: "Wie, du
bist ein Mönch und weißt nicht, dass der Frankenkönig Karl be-
reits mit einem großen Heer nach Sachsen unterwegs ist? Mönch,
deine Geschichten von Jesus sind schön, aber sie gefallen uns nicht
mehr. Zuerst kommt der Mönch und baut sich eine Hütte. Dann
kommt der Frankenkönig, und der Mönch zeigt ihm den Weg ins
Land. Und dann müssen wir Kirchen bauen und Klöster. Die Mönche
gehen hinaus auf unsere Felder, zählen die Garben und sagen: Die
zehnte Garbe gehört der Kirche. Dann gehen sie in unsere Ställe,
zählen die Rosse und Rinder und sagen: Das zehnte Stück Vieh gehört
der Kirche. Und dann kommen seine Grafen, zählen unsere Männer und
Söhne und sagen: Die gehören dem Frankenkönig für den Krieg. - Aber
wir wollen freie Sachsen bleiben und den Frankenkönig wieder aus dem
Land jagen, so wahr ich Widukind bin!"
      In der Nacht kehrte der Mönch heim nach seiner Hütte. Als
er einmal hinter sich sah, da war der Himmel an mehreren Stellen
blutrot vom Feuerschein der Dörfer, die Karls Krieger auf dem
Marsch angezündet hatten. Vor ihm aber lag finster der Berg mit
der Gresburg. An dem Bergabhang hinauf schwebten Reihen von
Lichtern. Es waren die Fackeln der sächsischen Bauern, die noch in
der Nacht mit ihrer Habe auf den Berg flohen. Oben auf dem
Gipfel war ein fester Erd- und Steinwall. Das war die Gresburg.
Als Folkard an die Stelle kam, wo seine Hütte stehen sollte, da
fand er sie nicht mehr. Verbrannte Balken lagen am Boden, das
Gärtchen war zertreten, das Kreuz zerbrochen, die Bücher waren
zerrissen und die Blätter zerstreut. Während er fort war, hatten die
Sachsen ihre Frühlingsfeier gehalten. Da hatten sie seine Hütte ange-
zündet und waren lachend durch das Feuer gesprungen.
      Gegen Morgen kam ein langer Zug fränkischer Krieger zu Pferd
und zu Fuß. Eine Schar Mönche schritt laut betend und singend
zwischen ihnen. Karl, der Frankenkönig, hielt zu Pferd neben der
Straße und betrachtete mit seinen großen, scharfblickenden Augen die
Vorbeigehenden. Jetzt hielt er einen Krieger an, der in Seide gekleidet
und mit goldenen und silbernen Ketten und Armringen behangen
war. "Oh, du doppelt Goldener, oh du Silberner, oh du ganz Purpurner!",
sagte er höhnisch, "reicht es dir nicht, wenn die Sachsen dich tot-
schlagen? Müssen sie dir auch deine Schätze nehmen und ihren
Götzen umhängen?" Am Fuß des Berges rastete das Heer und
rüstete sich zum Kampf. Karl trocknete sich den Schweiß vom weiß-
blonden Kopf und blickte empor zur Gresburg. Da oben waren alle
Lichter erloschen, und auf dem Gipfel schien es still und einsam. Ein
Graf ritt an die Seite des Königs. "An der Seite führt ein Weg
hinauf, der weniger steil ist", sagte er. Da rief Karl mit seiner hohen
Stimme, die für seine breite Brust fast zu fein schien: "Nein, da
hinauf geht der gerade Weg!" Die Sachsen hatten im Wald Zäune
aus Baumstämmen gemacht. Hinter diesen standen sie und schleuderten
ihre Spieße herab. Aber die Franken erstürmten mit Geschrei einen
Zaun nach dem anderen und trieben die Sachsen hinter Bäumen und
Büschen hervor. Immer höher zog sich der Kriegslärm den Abhang
hinauf bis zum Steinwall, wo er am längsten dauerte. Gegen
Abend sah Folkard den Herzog Widukind mit den Sachsen auf der
Rückseite des Berges hinabfliehen in die Wälder. Karl ließ die Burg
zerstören. Die Steintrümmer rollten den Abhang nieder. Nachts
brannten oben die Lagerfeuer der Franken. Am Morgen wurde es
still, die Franken waren weitergezogen.
      Als Folkard in den nächsten Tagen zwischen Haufen von Toten
den Berg hinaufstieg, rief oben eine schwache Stimme seinen Namen.
Der Bauer lag auf dem Boden und blutete aus einer Wunde in
der Brust. Der Mönch kniete neben ihm. "Willst du, dass ich dich
jetzt taufe?", fragte er. "Bald wirst du bei Jesus sein, der deine Seele
richtet." Der Bauer schüttelte den Kopf: "Immer habe ich treu den
Göttern gedient. Bald werden mich die Schlachtjungfrauen hinauf-
tragen zu Wodan. Gib mir Wasser!" Der Mönch ging zur Quelle
und gab dem Sterbenden zu trinken aus seiner Flasche, die er noch
von der Reise am Gürtel trug. "Dort steht ein Baum, der dem
Wodan heilig ist", sagte der Bauer. "Wenn du mich lieb hast, so
trage mich hin. Dort möchte ich am liebsten sterben und auch be-
graben sein." Der Mönch tat ihm seinen Willen. Er beugte sich
betend über den Sterbenden und rief immerfort den Namen Jesus
an. Dann holte er den Spaten, den er neben seiner Klause in einem
hohlen Baum versteckt hatte, begrub den Toten unter der heiligen
Eiche und breitete den Rasen über den Totenhügel, wie es bei den
Sachsen Sitte war.
      Da kam die Frau des Toten mit dem Mädchen an der Hand
und fragte nach ihrem Mann. Der Mönch führte sie an das frische
Grab. Während des Herabsteigens fing sie an zu erzählen: "Die
Franken hatten mich mit dem Kind gefangen und mitgenommen.
Sie zogen von hier aus zur Irminsäule - so heißt das Götterbild,
wo wir beten. Drei Tage lang wüteten sie dort gegen unsere Götter.
Sie zerbrachen den Zaun um den heiligen Platz, rissen die Säule
nieder mit dem Irminbild, verbrannten sie und wärmten nachts ihre
Füße am Feuer. Die heiligen Schimmel stachen sie tot, alle heiligen
Eichen hieben sie um, und den Opferstein wälzten sie den Berg hinab.
Aber unsere Götter straften die Feinde für den Frevel. Als sie weiter-
zogen, fanden sie nirgends eine Quelle und litten heftigen Durst. Da
sagte ich: ´Wenn ihr mich freilasst mit meinem Kind, so will ich
euch Wasser zeigen."´ Und ich führte sie an einen Bach, der ver-
borgen durch das Waldesdickicht fließt."
      Als sie an der Stelle vorbeikamen, wo die Klause des Mönchs
gestanden hatte, da sprach die Frau: "Sie hätten dich totgeschlagen,
wenn du nicht verreist gewesen wärest. Seit Widukind überall an-
sagen ließ, dass König Karl mit einem Heer komme, da hatten alle
einen Hass auf dich." Sie gelangten an den Bauernhof, der bis auf
den Grund niedergebrannt war. Die Bäume standen mit versengten
Zweigen und geborstener Rinde um den Schutthaufen, und ein
Storchenpaar kreiste in der Luft. "Arme Vögel!", sagte die Frau. "Wir
haben alle unser Nest verloren." Nassen Auges wühlte sie mit einem
Stock in der Asche und schluchzte, wenn sie einen geliebten Gegen-
stand verkohlt hervorzog. Da sprach Falkard: "Für mich ist jetzt
keine Arbeit hier, bis wieder ruhigere Tage kommen. Ich gehe heim
nach Fulda. Geh mit mir! Unser Kloster hat viele Höfe, und der
Abt braucht Arbeiter!" Da zog die Frau mit ihrem Kind nach Fulda,
heiratete dort später einen Christen und ließ sich taufen.

Adolf Clemens Scheiblhuber.
aus: "Hungers Lesebuch 5. und 6. Schuljahr", Seiten 301 bis 304



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