Jene Zeiten zeichnen sich durch vielen religiösen Unsinn aus. Eine der sonder-
barsten Gemeinschaften in dieser Beziehung waren die Flagellanten, wahnsinnige
Fanatiker und Taugenichtse, die 1260 auch nach Leipzig kamen, aber daselbst bald
hinausgebracht wurden. Diese preiswürdige Gesellschaft trieb den Unsinn aufs
Höchste. Sie gingen stets halb nackend, den Oberleib nur mit einem rothen Mantel
als Anspielung auf Christi Purpurmantel, umgehangen. Ohne Scheu warfen sie auf
offener Straße den Mantel ab, um sich auf Befehl ihres Führers tatmäßig bis
aufs Blut zu geißeln, zu welchem Zwecke sie stets eine Geißel bei sich führten. Wer
sich am blutigsten schlug, so daß er vor Erschöpfung niederfiel, wurde als der Heiligste
gepriesen. An dieser Heiligkeit nahmen die Leipziger großen Aerger, weshalb sie diese
Verrückten schnell fortschafften. Bald wurden sie aus dem ganzen Lande verwiesen.
Noch einmal um´s Jahr 1350, während der furchtbaren Pest taugte diese hirn-
verbrannte Genossenschaft wieder auf, indeß, wie die Pest wieder ab- und Muth und
Heiterkeit im Volke wieder zunahm, kam so viel Spott über sie, daß sie bald spurlos
verschwanden.
aus: "Das goldne Buch vom Vaterlande", Löbau: Walde, 1859, Seite 304