Kaiser Rudolf von Habsburg in Pirna.
Einse Sage.
Anno 1267 ist Graf Rudolf von Habsburg aus Schlesien nach Pirna
kommen mit etlichen Dienern, und weil er sich auf dem Wege sehr ausgezehrt
und von Hause aus so schleunig keine Geldmittel erhalten können, hat er abends
den regierenden Bürgermeister in Pirna, Herrn Paul Strausken, zu sich in das
Haus zur Mahlzeit laden lassen und ihn dabei angesprochen, ob er ihm nicht
beim Rate zu Pirna 200 Schock Geldes könnte zuwege bringen, weil er solches
jetzt auf seiner Reise höchst benötigt; er wolle ihnen solches nicht allein mit
Interessen getreulich wieder vorlegen, sondern auch solche Freundschaft dankbar-
lich verschulden, daß es die Nachkommen genießen sollten.
Der Bürgermeister entschuldigte sich zwar hierauf des Rats wegen mit
Vorwendung vieler Ausgaben bei der damaligen Zeit, da auch die Ratskammer
sehr erschöpft sei; doch versprach er, solches Ansinnen dem Rate vorzutragen und
dabei so viel zu thun, als ihm möglich. Das geschah auch, und der Rat zahlte
ihm des andern Tages 200 Schock guter Münze alsbald aus.
Ob nun zwar wohl der Graf sich verschrieben, innerhalb Jahresfrist solches
Geld wieder auszuzahlen, konnte er es doch auf die bestimmte Zeit nicht bewerk-
stelligen, weil seine Erwählung zum Kaiser nebst anderen Kriegshändeln dazwischen
kam. Er kam darauf 1273 selbst persönlich nach Pirna, ließ den ganzen Rat
vor sich fordern und traktierte denselben aufs freundlichste, erinnerte sich dabei an
seine Schuld und ließ ihm 300 Schock auszählen, welches aber der Rat nicht
annehmen wollte, weil es samt den Zisen soviel betrüge; sie wollten das
Geld vielmehr ihm als ihrem gnädigen Kaiser schenken. Der Kaiser aber wollte
nicht und nötigte sie, bis sie endlich 200 Schock von ihm annahmen. Darauf
bedankte sich der Kaiser, daß sie ihm damals in der Not so willig beigesprungen
und als einem Fremden ihm die 200 Schock anvertraut, begnadigte die ganze
Stadt mit besonderen Freiheiten und verordnete unter anderem, daß, so oft eine
Pirnaische Jungfrau würde heiraten, ihr aus seiner kaiserlichen Kammer 30 Schock
Geldes zum Heiratsgute ausgezahlt werden sollte. So soll er gleichfalls der
studierenden Jugend in Pirna unterschiedene Stipendien verordnet haben.
Kurz hernach, als der gefährliche Krieg zwischen dem Kaiser und dem
König Ottokar zu Ende gelaufen und der Kaiser ganz Böhmen, Österreich, die
Lausitz und Meißen an sich brachte, hat er mit Ernst befohlen, daß die Stadt Pirna
allein von allen Kontributionen frei bleibe. Als er aber zur Kaiserkrönung nach
Speyer sich aufgemacht, hat er unterwegs zu Graf Friedrich von Hohenstaufen
gesagt: "Nun wollen wir uns gegen die liebe Stadt Pirna recht dankbarlich
verhalten, wegen ihrer redlichen Treue und Aufrichtigkeit, so sie uns erzeigt,
und soll sie erfahren, daß, wie sie in meiner Not mein Vater gewesen, ich auch
ihr Vater und Helfer sein will."
Alfred Reiche.
(Sagenbuch der sächsischen Schweiz.)
aus: "Bunte Bilder aus dem Sachsenlande", Band 2 (1894), Seiten 84 und 85