Der Brand in Bischofswerda.
Aus den Franzosenkriegen.
Die sächsische Lausitz war im Jahre 1813 vielfach ein Schauplatz der
kriegerischen Thätigkeit Napoleon I. und der gegen ihn verbündeten Mächte.
Besonders hat die Stadt Bischofswerda in den erbitterten Kämpfen viel leiden
müssen.
Die schlesische Armee der Verbündeten war im Anfang Mai des Jahres
1813 von der Oder her über die preußische Grenze gegen Napoleon, der bei Dresden
stand, vorgestoßen. Doch drängte Napoleon die Preußen und Russen unter Blücher
und Wittgenstein bald wieder zurück. Während der Kämpfe dieses Rückzuges
brach das Elend des Krieges über die unglückliche Stadt Bischofswerda mit aller
Macht herein, und namentlich in der Nacht vom 12. zum 13. Mai hat sie den
Kelch der Leiden bis zur Hefe ausgetrunken.
Am 11. Mai bereits packten viele Bewohner der Stadt ihre Habseligkeiten
zusammen und flohen in ihrer Angst in die umliegenden Bergwälder; denn der
Kanonendonner dröhnte in der Richtung von Dresden her in so heftiger Weise,
daß Mutlosigkeit, Entsetzen und Verzweiflung die armen Menschen ergriff.
Am 12. Mai früh bemerkte man die ersten Abteilungen des verbündeten
Heeres. Auf den Anhöhen vor der Stadt nach Dresden zu waren Batterien
aufgefahren. Russische Kavallerie stand in und um ganz Bischofswerda. Die
Fensterläden in den Gassen wurden jetzt zugeworfen und zugezogen, die Haus-
thüren verschlossen und verriegelt, damit die Bewohner gegen die Ausschreitungen
des fremden Militärs gesichert seinen; denn dieses nahm keck und mit Gewalt, was
auf andere Weise nicht zu erlangen war. Vormittags 10 Uhr erdröhnten, wie-
wohl noch aus ziemlicher Ferne, heftige Kanonenschläge. Um 11 Uhr sah man
vom Turme der Hauptkirche aus das zwei Stunden entfernte Dorf Schmiede-
feld in Flammen aufgehen.
Seit früh 7 Uhr hatten die Durchmärsche nach Bautzen zu ununterbrochen
gewährt. Infanterie, Kavallerie und Artillerie kam und ging in rascher Auf-
einanderfolge. Mittags gegen 1 Uhr traf der russische General Miloradowitsch
in Bischofswerda ein, verblieb daselbst bis 3 Uhr und rückte dann mit Graf
Wittgenstein in der Richtung nach Bautzen ab. Um 5 Uhr zogen die letzten
Truppenteile der Verbündeten durch die Thore; da erschien vor denselben von
der entgegengesetzten Seite auch schon mit einem großen Teile der französischen
Avantgarde der Marschall Macdonald, Herzog von Tarent. Die erste fran-
zösische Granate flog in eine Scheune am Kirchhofe und steckte dieselbe in Brand.
Dichte Rauchwolken stiegen alsbald aus dieser und mehreren andern brennenden
Scheunen auf. Um halb 6 uhr lagen alle Scheunen, die Begräbniskirche und
das Hospital in Schutt und Asche. Das Feuer hatte in diesem Stadtteile bald
alles verzehrt, und es schien nun keine weitere Gefahr für die Stadt selbst vor-
handen zu sein.
Um 6 Uhr zog Macdonald in die Stadt ein und fragte nach dem Bürger-
meister. "Die Kosaken haben ihn als Geisel mitgenommen!" hieß es. – "Es
ist nicht wahr", lautete seine Erwiderung, "die Spitzbuben stecken im Busche!"
– Macdonald verlangt nun Wein. Der General-Acciseinnehmer Funke holte
sofort vier Flaschen und bat bei der Überreichung den Herzog flehentlich, er möge
doch die Stadt schonen, da ja der sächsische König mit Napoleon im Bunde sei.
Macdonald blickte finster auf den Sprecher und rief: "Der König ist gut; aber
die Unterthanen sind Spitzbuben!" –
In allen Häusern suchten die Franzosen nach Quartier und Lebensunterhalt.
Wo man nicht gutwillig öffnete, wendeten sie Gewalt an. Thüren und Fenster
wurden mit den Gewehrkolben eingeschlagen, und schauerlich klang das Dröhnen
durch das sonstige Getümmel der Heeresabteilungen.
Es war halb 9 Uhr abends. Acciseinnehmer Funke stand gerade auf dem
Markte neben dem General Souham. Da schlugen aus einem Hause der Töpfer-
gasse grelle Flammen um Himmel empor. "Herr Jesus, da brennt´s!" schrie
Funke. "Wo? wo?" rief der General. Funke zeigte ihm das Haus. Sofort gab
der General Befehl zum Löschen. Doch die französische Mannschaft zeigte sich
hierbei höchst säumig. Die Nebenhäuser gerieten jetzt ebenfalls in Brand. Bald
brannte die Gasse; andere Gassen wurden mit ergriffen, so daß in derselben Nacht
von 11 bis 1 Uhr die ganze Stadt vollständig in Flammen stand. Um 1 Uhr
sah man auch aus der Hauptkirche Feuer hervorkommen, und kurze Zeit nachher
schlug die Lohe aus allen Öffnungen des Turmes heraus.
Die müden und schlaftrunkenen Franzosen mußten die Stadt verlassen.
Bischofswerda war ein einziges Feuermeer, und schauerlich leuchtete der brennende
Turm des Gotteshauses weithin durch die Nacht. Um 2 Uhr stürzte er mit ent-
setzlichem Krachen in sich zusammen. Am andern Morgen beschien das aufgehende
Tagesgestirn einen großen qualmenden Trümmerhaufen.
An diesem Morgen sehr frühe erhielten die im Baltenbergwalde versteckten
Flüchtlinge die Trauerkunde, daß ihr Heim durch Feuer vollständig zerstört sei.
Man war aber an Not und Elend schon so sehr gewöhnt, daß diese Nachricht die
Gemüter nicht allzusehr erschütterte. Fühlte man sich doch nun der Sorgen
der Einquartierungen, der vielen Bedrückungen und Plünderungen enthoben.
Einige Mutvolle versuchten, in die Stadt zurückzukehren; allein die am Fuße
des Berges haltenden Reitertrupps der Kalmücken ließen niemand durch ihre Vor-
postenkette. –
330 Wohnhäuser, zwei Kirchen, die Schule und alle öffentlichen Gebäude
der Stadt lagen in Asche. Nur drei Häuser am Dresdener Thore blieben als stumme
Zeugen der Katastrophe und als Erinnerung an den vormaligen Zustand stehen.
Jammervoll die Hände ringend, irrten am Morgen des 13. Mai etliche Einwohner
durch die rauchenden Schutthaufen. Es war ein Anblick zum Erbarmen. Die
wilde Kriegsfurie hatte ihre Geißel in furchtbarer Weise über Bischofswerda
geschwungen.
Die äußere Ordnung in und um Bischofswerda war am 15. Mai wieder
hergestellt. An den Thoren standen französische Gendarmen als Wachen. Draußen
in den Gärten und auf den Feldern lagerte das französische Heer. Die Offiziere
hatten in den stehengebliebenen Lauben und Gartenhäuschen ein Unterkommen
gefunden. Am Bürgerteiche wuschen die Soldaten ihre Montierungsstücke. Nach
und nach hatte sich eine beträchtliche Zahl der Bürger wieder eingefunden. Sie
wurden nicht mehr belästigt.
Der glimmende Schutt und die verkohlenden Balken verbreiteten noch lange
Zeit große Hitze und der verbrannte Lehm einen höchst üblen Geruch. Hohe
Brandgiebel ragten hier und da noch empor und gewährten, besonders in den
Stunden der Dämmerung und in der Nacht, einen grauenvollen Anblick.
aus: "Bunte Bilder aus dem Sachsenlande", Band 2 (1894), Seiten 268 – 270