Friede den Hütten! Krieg den Palästen!
Darmstadt, am 31. Juli 1834
Der Hessische Landbote.
Erste Botschaft.
Darmstadt, im Juli 1834.
Vorbericht.
Dieses Blatt soll dem hessischen Lande die Wahrheit melden, aber wer die Wahr-
heit sagt, wird gehenkt, ja sogar der, welcher die Wahrheit liest, wird durch
meineidige Richter vielleicht gestraft. Darum haben die, welchen dies Blatt zukommt,
folgendes zu beachten:
1) Sie müssen das Blatt sorgfältig außerhalb ihres Hauses vorder Polizei verwahren;
2) sie dürfen es nur an treue Freunde mittheilen;
3) denen, welchen sie nicht trauen, wie sich selbst, dürfen sie es nur heimlich hinlegen;
4) würde das Blatt dennoch bei Einem gefunden, der es gelesen hat, so muß er
gestehen, daß er es eben dem Kreisrath habe bringen wollen.
5) wer das Blatt nicht gelesen hat, wenn man es bei ihm findet, der ist
natürlich ohne Schuld.
Friede den Hütten! Krieg den Pallästen!
Im Jahr 1834 siehet es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft.
Es sieht aus, als hätte Gott die Bauern und Handwerker am 5ten
Tage, und die Fürsten und Vornehmen am 6ten gemacht, und als
hätte der Herr zu diesen gesagt: Herrschet über alles Gethier, das auf
Erden kriecht, und hätte die Bauern und Bürger zum Gewürm gezählt.
Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag, sie wohnen in schö-
nen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und
reden eine eigne Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger
auf dem Acker. Der Bauer geht hinter dem Pflug, der Vornehme
aber geht hinter ihm und dem Pflug und treibt ihm mit den Ochsen
am Pflug, er nimmt das Korn und läßt ihm die Stoppeln. Das Le-
ben des Bauern ist ein langer Werktag; Fremde verzehren seine Aecker
vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das
Salz auf dem Tische des Vornehmen.
Im Großherzogthum Hessen sind 718.373 Einwohner, die geben
an den Staat jährlich an 6.363.364 Gulden, als
Dies Geld ist der Blutzehnte, der von dem Leib des Volkes ge-
nommen wird. An 700.000 Menschen schwitzen, stöhnen und hungern
dafür. Im Namen des Staates wird es erpreßt, die Presser berufen
sich auf die Regierung und die Regierung sagt, das sey nöthig die
Ordnung im Staat zu erhalten. Was ist denn nun das für gewalti-
ges Ding: der Staat? Wohnt eine Anzahl Menschen in einem Land
und es sind Verordnungen oder Gesetze vorhanden, nach denen jeder
sich richten muß, so sagt man, sie bilden einen Staat. Der Staat also
sind Alle; die Ordner im Staate sind die Gesetze, durch welche das
Wohl Aller gesichert wird, und die aus dem Wohl Aller hervorgehen
sollen. – Seht nun, was man in dem Großherzogthum aus dem Staat
gemacht hat; seht was es heißt: die Ordnung im Staate erhalten!
aus: "Der Hessische Landbote" vom 31. Juli 1834, Seite 1