aus: "Dresdner Volkszeitung" vom 13. April 1919
Belagerungszustand über Sachsen
Bekanntmachung
Wegen Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit wird
der gesamte Freistaat Sachsen hierdurch in Belagerungszustand erklärt.
Zugleich werden die Bestimmungen der Gesetze über Gerichtsstand, Verhaftung,
Haussuchung Briefgeheimnis, Presse, Vereins- und
Versammlungsrecht bis auf weiteres außer Kraft gesetzt.
Die Anordnung und Ausführung aller die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung
der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit
bezweckenden und darauf Bezug habenden Maßregeln wird wird ausschließend und
unbedingt in das Ermessen des militärischen Oberbefehlshabers
gestellt, dem die Ausübung der Kommandogewalt übertragen worden ist.
Jedermann hat den Anordnungen des Oberbefehlshabers bei Vermeidung der
angedrohten Strafen unbedingt Folge zu leisten.
Das Gesamtministerium hat zum Oberbefehlshaber Herrn Bruno Kirchhof, Dresden, bestimmt.
Dresden, den 13. April 1919.
Das Gesamtministerium:
gez. Dr. Gradnauer, Ministerpräsident. Buck. Dr. Harnisch. Nitzsche.
Schwarz. Uhlig.
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Der militärische Oberbefehlshaber erlässt folgende Bekanntmachung:
Nachdem das Gesamtministerium mit Bekanntmachung vom 13. April 1919 den
Freistaat Sachsen in Belagerungszustand erklärt und
die Anordnung und Ausführung aller die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung
der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit bezweckenden
und darauf Bezug habenden Maßregeln mir überlassen hat, verordne ich
in Ausübung der mir zustehenden obersten militärischen Kommando-
gewalt hiermit was folgt:
1. Die Zivilbehörden bleiben in Tätigkeit, haben aber meinen Anordnungen
und Aufträgen Folge zu leisten.
2. Für die Zeit des Belagerungszustandes proklamiere ich das
Standrecht
Dem standrechtlichen Verfahren unterliegen folgende von Zivilpersonen
begangene Verbrechen und Vergehen:
Hochverrat, Landesverrat, Mord, Totschlag, Widerstand gegen die
Staatsgewalt, Auf-
ruhr, Auflauf, Brandstiftung, Verursachung einer Überschwemmung, Zerstörung von
Eisenbahnen, Telegraphen- und Telephonleitungen, Befreiung von Gefangenen, Meuterei,
Plünderung, Raub, Landfriedensbruch, Erpressung, Verleitung der Soldaten zur Untreue
und die von mir besonders mit Strafen bedrohten Verfehlungen.
3. Haussuchungen und Verhaftungen können von den dazu berechtigten Behörden
und Beamten zu jeder Zeit vorgenommen werden.
4. Die Polizeistunde festzusetzen, bleibt bis auf weiteres den örtlichen
Behörden überlassen. Sie darf aber nicht über 10 Uhr abends
hinausgehen.
5. Der Verkauf von Waffen, Munition, Pulver und anderen Sprengmitteln
ist verboten. Wer beim unberechtigten Tragen von Waffen
6. Das Erscheinen neuer Zeitungen unterliegt meiner Genehmigung. Es
ist verboten, in Zeitungen und Flugschriften zu Gewalttaten
oder zu Streiks aufzufordern, die das Wirtschaftsleben und die Ernährung
des deutschen Volkes oder die schnelle Herbeiführung des Friedens
gefährden können.
7. Alle Versammlungen unter freiem Himmel sind verboten, alle öffentlichen
Versammlungen in geschlossenen Räumen bedürfen
meiner Genehmigung.
8. Öffentliche Aufzüge sowie Ansammlungen und Zusammenrottungen
auf öffentlichen Straßen und Plätzen sind verboten.
9. Der Verkehr auf öffentlichen Sträßen und Plätzen ist im Interesse
der persönlichen Sicherheit der Bevölkerung auf das unbedingt
notwendige Maß zu beschränken.
10. Die Verfolgung vorstehender Anordnungen wird nötigenfalls
mit Waffengewalt erzwungen.
11. Die Anwendung der bewaffneten Macht zur Unterdrückung etwa vorkommender
Aufruhrversuche erfolgt nach meinen Befehlen.
12. Die Truppen stehen während des Kriegszustandes unter den
Kriegsgesetzen (§ 9 Militärstrafgesetzbuch).
Dresden, den 13. April 1919.
Ministerium für Militärwesen
Der mit Wahrnehmung der Geschäfte Beauftragte: Kirchhof.
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Für die Stadt Dresden hat der Oberbefehlshaber im Zusammenhang
damit folgende Bestimmungen erlassen:
Der Belagerungszustand tritt am 12. April 1919 in Kraft.
Sämtliche Wirtshäuser sind um 8 Uhr abends zu schließen.
Kraftwagen dürfen nur mit Genehmigung des militärischen
Oberbefehlshabers verkehren.